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Letterladys #13 Was Frauen wollen

Letterladys #13 Was Frauen wollen

Was Frauen wollen

Letterladys #13

Heute ist Muttertag. Heute vor 77 Jahren kapitulierte Deutschland – endlich. Seit mehr als zwei Monaten tobt praktisch nebenan wieder Krieg. Sind wir noch zu retten?

Ja. Durch uns Frauen. Mit uns Frauen! Und mit sehr großer Sicherheit sind die Männer dabei unerlässlich. Unsere Buchbesprechung beim 13. Treffen der Letterladys führte uns von den wirklich wichtigen Erklärungen, was wir Frauen wollen, über eine besondere Frau, die mit ihrer Kunst Musik sichtbar machte, hin zu Klarheit: wie wir Frauen die Welt retten können.

Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschen. Unter seinem Hauche entfalten sich die Seelen.

 

In der Medizin gilt als Gradmesser für die Intensität von Schmerz auf einer Skala von 1 bis 10 der Geburtsschmerz als 10. Wer, wenn nicht wir Mütter, sollte die 10 kennen? Vielleicht ist ja gerade das der Grund dafür, weshalb Frieden und Zukunft viel stärker von uns Frauen bestimmt werden müssen.

So viel Zeit muss sein – Letterladys #13 – Was Frauen wollen
So viel Zeit muss sein – Trennlinie

Buchtipp #1

„Was wir Frauen wollen“ von Isabel Allende. Suhrkamp 2022

Was bedeutet es, eine Frau zu sein? Isabel Allende ist eine Ikone, eine weltweit geliebte Schriftstellerin und ein Vorbild. Leidenschaftlich, provokant und sehr inspirierend schreibt sie im Rückblick auf ihre inzwischen 80 Lebensjahre über das Thema, das praktisch jeden einzelnen Roman von ihr durchdringt: Frau sein.

So persönlich und humorvoll sie dieses Buch beginnt, so kritisch und konzentriert schreibt sie über die Ohnmacht vieler Frauen und Mädchen weltweit – immer noch: beschnitten, unterdrückt, verkleidet, versklavt und verkauft. Einmal mehr zeigt sie auf, wie gewaltig die Schere zwischen hier und dort klafft. Es wird noch viele solcher Offenbarungen brauchen.

Ein nachdenklich machendes Buch.  

Leseprobe:
Meine Enkelkinder haben sich bemüht, mich über die vielfältigen Formen der Liebe aufzuklären, die heute unter jungen Leuten verbreitet sind. Als sie mir von Polyamorie berichteten, konterte ich damit, die habe es schon immer gegeben. In meiner Jugend, in den sechziger und siebziger Jahren, nannte man das Freie Liebe, aber sie versichern mir, das sei nicht dasselbe, weil viele Menschen sich mittlerweile nicht mehr als binär – männlich/weiblich – definierten und damit die Konstellationen von Paaren und Gruppen spannender würden als zu meiner Zeit. Es macht mich fertig, wenn sie von „meiner Zeit“ sprechen. Jetzt ist meine Zeit! Auch wenn ich leider zugeben muss, dass ich nicht mehr in einem Alter bin, um mich auf das Terrain der heutigen nicht-binären Polyamorie zu begeben.

So viel Zeit muss sein – Letterladys #13 – Was wir Frauen wollen
So viel Zeit muss sein – Letterladys #13 – Wenn Martha tanzt

Buchtipp #2

„Wenn Martha tanzt“ von Tom Saller, Ullstein-Verlag 2019

Eine magische Kindheit in Pommern, eine junge Frau am Bauhaus, eine unerwartete Begegnung.

Ein Buch, das Geschichte lebendig werden lässt. Es spielt in der Jetzt-Zeit, und doch beginnt es 1900. Es berührt Geschichte und führt sie zusammen. Gelebt von Martha, die Musik mit ihrem Tanz sichtbar macht. 100 Jahre Martha in Kunst, Krieg und dem großen Vergessen danach.

Es wird aus zwei Perspektiven geschrieben. Die der heutigen Zeit und der Betrachtung und des Versinkens in den geschichtlichen Dramen. Und die der Tagebuchaufzeichnungen – der großen Zeit des Bauhauses bis zu seiner Schließung durch die Nationalsozialisten.

Ich mochte die Geschichte, d.h. ich begann zu lesen und legte das Buch mehrere Stunden später dann ausgelesen zur Seite. Beglückend.

​Buchtipp #3

„Warum Frauen die Welt retten werden“ 
Ines Imdahl und Janine Steeger, KomplettMedia, 2022

Begegnet ist mir Ines Imdahl auf LinkedIn. Schon lange vor Erscheinen des Buches veröffentlichte sie regelmäßig Inhalte aus dem Buch. Eine gut vorbereitete Marketingstrategie. Doch es lohnt sich. Dieses Buch ist ein Plädoyer für das Gleichgewicht von Frauen und Männern in allen entscheidenden Lebens- und Arbeitssituationen. Es geht darum, die Welt neu zu denken. Und zwar genauer gesagt: aus dem weiblichen Prinzip heraus. Denn Frauen denken, fühlen und handeln anders als Männer – und das ist auch gut so.

Neu ist die Art und Weise, wie das Buch entstanden ist. Anhand einer repräsentativen tiefenpsychologischen Studie des rheingold salons und Gesprächen mit starken Stimmen der Gesellschaft. Und das sind sowohl weibliche, als auch männliche.

Herausgekommen ist ein weiblich-dominierter Blick ins Jahr 2030.

Dringende Leseempfehlung. Auch für Männer.

„Das Weiche und Runde,
das kann auch was!

So viel Zeit muss sein – Letterladys #13 – Warum Frauen die Welt retten werden
Letterladys #11 müßig

Letterladys #11 müßig

Müßig

Letterladys #11

Die Welt scheint gespalten. Es gibt Menschen, die irgendwie alle Dinge auf die Reihe kriegen. Und es gibt Menschen, die Dinge auf die Reihe kriegen und dabei nichts tun. Eins ist jedenfalls klar, es geht im heutigen Dasein darum, die Dinge des Alltags und alles drumherum geregelt zu kriegen. Wie auch immer …

Da kommt das Sprichwort von Marie von Ebner-Eschenbach sehr trefflich daher:

 

Man kann viele Dinge kaufen, die unbezahlbar sind.

 

Denn was ich mir nicht kaufen kann, das ist mit Sicherheit Zeit. Aber Ratgeberliteratur, wie ich meine Zeit besser nutze, sortiere, verwalte, die gibt es Zuhauf. Wir haben uns da etwas angeschaut:

So viel Zeit muss sein – Letterladys #11 – müßig
So viel Zeit muss sein – Trennlinie

Buchtipp #1

“Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin” von Kathrin Passig und Sascha Lobo, rowohlt 2010

Planlos Glücklich: Das Buch für alle, die ihr Leben so organisieren wollen, dass man es nicht ständig organisieren muss.

Das schmutzige Geschirr, die Tabellenkalkulation fürs dritte Quartal oder die ungenutzte Mitgliedschaft im Fitnessclub – überall findet das schlechte Gewissen reichlich Nahrung. Dabei ist es ganz normal, Aufgaben vor sich herzuschieben und nicht ständig effektiv, organisiert und auf Kommando motiviert zu sein.

Wir haben das Buch konsumiert und festgestellt: Es ist der perfekte Ratgeber. Ein Ratgeber für Prokrastinierer, die hier eine hervorragende Anleitung erhalten, mit dem schlechtem Gewissen über nicht erledigte Aufgaben Schluss zu machen. Und ein Ratgeber für Partner von Prokrastrinierern, die im Wesentlichen über die Eigenarten eben jener aufgeklärt werden. Und auch darüber, das diese Lebensform nicht mal eben einfach mit den Worten “Da musst du durch und dir einfach mal Mühe geben” zu heilen ist.

Ein witziges, inspirierendes und sehr tiefgehendes Lehrbuch. Und eine Leseempfehlung für Jedermann-frau.

So viel Zeit muss sein – Letterladys #11 – müßig
So viel Zeit muss sein – Letterladys #11 – müßig

Buchtipp #2

“Das Buch der hundert Vergnügungen” von Dan Kieran und Tom Hodgkinson

Zauberhaft illustriert von Stephanie F. Scholz, Suhrkamp | Inselverlag 2019

Seit Hunderten von Jahren sind wir von der fixen Idee besessen, dass Spaß eine teure Sache sei. Wir arbeiten und arbeiten bis zur Erschöpfung, damit wir Dinge tun oder kaufen können, die uns Freude machen. Dass die schönsten Dinge im Leben häufig umsonst sind – das zeigt dieses Buch mit erfrischender Leichtigkeit. Tom Hodgkinson und Dan Kieran stellen hundert dieser müßigen Vergnügungen vor, wie etwa „Mit kleinen Kindern spazieren gehen“ oder „Warten, dass der Tee zieht“.

Das Buch der hundert Vergnügungen ist eine charmante Fibel über das leichte, unbeschwerte Leben und das perfekte Geschenk für jeden Müßiggänger.

Quintessenz:
Genuss durch Müßiggang ohne Kosten
= Kopf frei
= Konzentration

Hier schließt sich der Kreis zum Zitat von Marie von Ebner-Eschenbach. Genuss und Müßiggang sind keine Frage des Geldes und letzten Endes unbezahlbar.

So viel Zeit muss sein – Letterladys #11 – müßig
So viel Zeit muss sein – Letterladys #11 – müßig
So viel Zeit muss sein – Letterladys #11 – müßig
So viel Zeit muss sein – Letterladys #11 – müßig
So viel Zeit muss sein – Letterladys #11 – müßig

Leseprobe:
Erzwungenes Nichtstun ist eine seltene Vergnügung. Diese kurzen Momente im Leben, wenn man sich aus irgendeinem Grund gezwungen sieht, einfach innezuhalten und nachzudenken. Im Wartezimmer zum Beispiel, beim Schlangestehen oder auch bloß, wenn man im Zug sitzt. Darauf zu warten, dass der Tee zieht, ist so ein Moment. Die Zeit reicht nicht, um inzwischen irgendetwas zu „tun“, folglich bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als dazusitzen und zu warten, während Ihnen aus lauter Vorfreude auf das dampfende Gold der Mund wässrig wird. Falls Sie doch versuchen sollten, zwischendurch schnell noch etwas zu erledigen, dann werden Sie unweigerlich zu lange oder nicht lange genug dafür brauchen, sodass der Tee entweder zu stark oder zu schwach wird. Die einzige Methode, die erforderliche Zeit exakt abzuschätzen, besteht darin, sich hinzusetzen, nichts zu tun und den Tee zu beobachten. Nur wenn Sie der Kanne Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, werden Sie imstand sein, das voll Aroma des Tees zu genießen, wenn der richtige Moment gekommen ist.

 

​Buchtipp #3

Seit einer gefühlten Ewigkeit steht immer in Blickweite die “Enzyklopädie der Faulheit” auf meinem Klavier. Ein Buch von Wolfgang Schneider, Eichborn-Verlag Berlin 2003

Für Aristoteles ist sie die Schwester der Freiheit, für Dostojewski eine verführerische Geliebte der Fantasie und für Salomon die einzig wahre Begleiterin auf dem Weg zu Weisheit: Die Faulheit.

Dieses Buch umfasst jedoch nicht nur die Sammlung großer Dichter und Denker, die sich der Faulheit und des Müßiggangs hingaben. Es ist auch eine außergewöhnliche Sammlung von Sprichwörtern, Fakten und Kuriositäten rund ums Thema. So erfährt man hier auch, dass Einstein im Schnitt zwölf (!) Stunden schlief und dass die fleißige Biene gerade mal zwanzig Prozent ihrer Lebenszeit mit Arbeit verbringt. Wer zu viel Energie verschwendet, der verkürzt eindeutig vorzeitig sein Leben.

Das Buch ist leider nur antiquarisch zu kaufen. Aber hier gibt es eine schöne Radio-Rezension dazu.

Am Ende unseres Treffens stellen wir fest, dass das Thema Prokrastination und Müßiggang durch alle Zeiten und Medien wabert. So z.B. auch im Instagram-Feed dieser Schriftstellerin: helenredfernwriter.

In diesem Sinne:

„Wer ruhig leben will,
soll nicht vielerlei treiben,
weder im eigenen noch im Staatswesen.“

(Demokrito)

So viel Zeit muss sein – Letterladys #11 – müßig
Letterladys #10 süchtig

Letterladys #10 süchtig

süchtig

Letterladys #10

Alkohol – trinken oder nicht trinken. Wir sitzen vor der Getränkekarte und der Qual der Wahl: was trinken, wenn es kein Alkohol sein soll? Rhabarbersaftschorle macht das Rennen. Schwarze Johannesbeere ist auch immer wieder gut. Gibt es aber nicht überall.

Nur kurz später ploppt die nächste wesentliche Frage auf: „Wie lange darf man eigentlich frühstücken?“. Schließlich ist das „Café Übereck“ in Berlin Ostkreuz eine Frühstückskneipe. Die Antwort wird schließlich: 24h am Tag! Jederzeit beginnen ist möglich.

Und schon wieder eine nächste Frage: „Was frühstücken?“ 

– schwarzes Frühstück
– Nuttenfrühstück
– chinesisch
– englisch
– continental
– japanisch
– russisch
???

 

Wir entscheiden uns für das Tischangebot: Gemüsebällchen, mit Käse überbackene Tortillas und Oliven mit Schafskäse.

Übrigens: Der Teufel im Buch „Der Meister und Margareta“ von Michael Bulgakov heißt: Volant. Genauso heißt auch ein russisches Lokal in der Wichertstraße in Berlin Prenzlauer Berg. Große Empfehlung (Buch und Lokal).

So viel Zeit muss sein – Letterladys #10 – süchtig
So viel Zeit muss sein – Trennlinie

Jahreswechsel mit der 9.

Am 31. Dezember 2021 war ich in der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Eine leicht militante, klassische Aufführung des tänzelnden Dirigenten Andrew Manze. 2019 hatte ich – gleicher Tag, gleiche Sinfonie – das Konzert mit der Dirigentin Karina Canellakis gehört. Die New Yorkerin hatte so ganz anders mit den Möglichkeiten der instrumentalen Stimmgruppen gespielt. Ja! Gespielt. Ich war völlig verzaubert. Und wieder einmal überrascht, wie sehr verschieden ein und dasselbe Musikstück klingen kann.

Übrigens: Die Japaner haben die 9. Sinfonie von Beethoven zum Event gemacht und singen jährlich die „Ode an die Freue“ im Chor mit 10.000 Musikern. Der helle Wahnsinn: https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=X6s6YKlTpfw

Stille und Einkehr

Claudia spricht dann über ihre Entdeckung des Hörbuchs: „Das Geheimnis der Rauhnächte“ von Joan Uhland. Eine Annäherung an das Thema aus philosophischer und kulturgeschichtlicher Betrachtung.

Buchtipp

Eine Buchempfehlung von Christine: „Geflochtenes Süßgras“ von Robin Wall Kimmerer, das eine Verflechtung von indigener Weisheit und wissenschaftlichen Erkenntnis herstellt und über die Großzügigkeit der Erde reflektiert. Ein Trost und Hoffnung spendendes Buch, das die Schönheit unserer Erde in Bildern einfängt, die in Erinnerung bleiben. Leider ist es von außerordentlichem Umfang und auch die 18h Hörspielzeit schrecken uns davon ab, es zum nächsten gemeinsamen Lesebuch zu machen.

So viel Zeit muss sein – Letterladys #10 – süchtig

Stattdessen einigen wir uns planlos glücklich auf das Buch „Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin“ von Sascha Lobo und Kathrin Passig. Schaffen wir das? Unser Lesen so zu organisieren, dass wir es nicht ständig organisieren müssen? Öhm, ich meinte unser Leben … 😉 Wir haben also eine klitzekleine Leseverpflichtung verabredet. (Gibt’s auch als Hörbuch.)

Noch eine Leselektüre für nebenbei, einfach mal was leichtes und schönes, schnuckeliges zum Vernaschen: „Der Garten über dem Meer“ von Mercè Rodoreda. Es spielt in Katalonien in den späten 20er Jahren in einem Herrenhaus über dem Meer und beschreibt die Beobachtungen des Gärtners über einen Zeitraum von sechs Jahren. Er beobachtet das Kommen und Gehen der jungen Besitzer, ihre Partys, ihren Sommernachtstraum und die feinen Risse im Idyll, die langsam entstehen.

Filmtipps

Im Laufe des Abends kehren zurück zum Thema Essen in Filmen und kommen auf die ARD-Serie „Eldorado KaDeWe“. Das sechsteilige Drama befasst sich mit dem berühmten Kaufhaus KaDeWe im Berlin der 1920er Jahre.

„Im August in Osage Country“ ist die nächste Filmempfehlung. Ein Film voll Generationenkonflikten, mit einer  herausragenden Besetzung: Maryl Streep, Julia Roberts, Chris Cooper, Ewan McGregor u.w. DRINGENDE EMPFEHLUNG!

Und zum Schluss noch eine weitere Filmempfehlung: „Nomad Land“ mit Francis McDormand. Ein Filmdrama über die Nomaden heutiger Arbeit: Überleben in den USA im 21. Jahrhundert. Der Film ist übrigens hoch dotiert und ausgezeichnet – Oscars 2021 für bester Film, beste Regie und beste Hauptdarstellerin.

So viel Zeit muss sein – Letterladys #10 – süchtig

Beim nächsten Mal

… geht es also ums Prokrastinieren und darum, wie wir Dinge geregelt kriegen, ohne einen winzigen Funken Selbstdisziplin 🤩.

 

Letterladys #9 Sortenreich

Letterladys #9 Sortenreich

Sortenreich

Letterladys #9

Das neueste Gespräch der Letterladys startete mit „Alten Sorten“. Und führte schnell in Rückblenden und Wiederholung auch auf die Bücher „Über Menschen“ und „Der Gesang der Flusskrebse“ aus vorherigen Treffen.

 

Ist das Frauenliteratur?
Was ist Frauenliteratur?

 

Vielleicht: eine Literatur, die ohne Bewertung daher kommt. Die den Leser seine eigene Position bewahren lässt. Oder auch eine Themenwelt, die berührt: Rückzug aufs Land, das auf das eigene Selbst zurückgeworfen sein, den persönlichen Bezug zu anderen Menschen finden.

Die Antwort sei jedem/jeder selbst überlassen.

Allerdings konnten wir feststellen, was die Bücher vereint: Die Protagonisten der Geschichten können miteinander schweigen. Eine Fähigkeit, die immer existenzieller für Beziehungen wird. Finden wir, lauter Damen, nach schon ein paar Jahren Leben.

 

So viel Zeit muss sein – Trennlinie

Kennst du
Esperens Herren…,
Alexander Lucas,
Margarete Marillat,
Boscs Flaschen…,
Belgien?

Nein? Das ist nicht wirklich verwunderlich, denn diese alten Birnensorten gibt es im Einzelhandel nicht zu kaufen.

 

Alte Sorten

Ewald Arenz, DuMont Verlag, 2019, ISBN 978-3-8321-8381-3

Eine Frau und eine junge Frau.

Im Roman „Alte Sorten“ von Ewald Arenz werden die alten Birnensorten beschrieben. Und Gerüche und Geschmäcker, Geräusche und Sinne – und zwei Frauen. Zwei Frauen, die eine jung, die andere älter, mit ungleichen Lebensgeschichten, die sich langsam aufeinander einlassen. Sie sind verbunden vom Wunsch nach Unabhängig sein – frei im Tun und Denken. Es ist ein leises Buch, auch wenn die Protagonistinnen nicht unbedingt leise auftreten; mit Blick auf das Existenzielle, auf die Stille, die Landschaft und das Zuhören. Und nebenbei voll von Informationen zu Bienen, Birnen, Bäumen und ein Leben auf dem Lande hier und heute.

Ewald Arenz hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert und ist erfolgreicher Autor aus Süddeutschland. Neben seinen Büchern moderiert er auch die literarische Sendung „Das Feiertagsfeuilleton“ auf Bayern 2 und organisiert literarische Veranstaltung im Städtchen Fürth.

 

Unsere weiteren Empfehlungen

Als ausgesprochen lesenswerte Bücher in dieser dunklen Jahreszeit eignen sich so manche Ratgeber:

Peter Wohlleben „Das geheime Leben der Bäume“

Erstaunliche Dinge geschehen im Wald: Bäume, die miteinander kommunizieren. Bäume, die ihren Nachwuchs, aber auch alte und kranke Nachbarn liebevoll umsorgen und pflegen. Bäume, die Empfindungen haben, Gefühle, ein Gedächtnis. Unglaublich? Aber wahr! – Der Förster Peter Wohlleben erzählt faszinierende Geschichten über die ungeahnten und höchst erstaunlichen Fähigkeiten der Bäume. Dazu zieht er die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse ebenso heran wie seine eigenen unmittelbaren Erfahrungen mit dem Wald und schafft so eine aufregend neue Begegnung für die Leser: Wir schließen Bekanntschaft mit einem Lebewesen, das uns vertraut schien, uns aber hier erstmals in seiner ganzen Lebendigkeit vor Augen tritt. Und wir betreten eine völlig neue Welt …

Erschienen im Ludwig Verlag, ISBN: 978-3-453-60432-2

Es gibt übrigens eine neue, erweiterte Ausgabe. Als Bildband mit faszinierenden Fotos, großformatig und durchgehend vierfarbig. Erschienen im Ludwig Verlag, ISBN: 978-3-453-28088-5

Und in diesem Jahr erschien sein Nachfolgebuch „Der lange Atem der Bäume“

Wie Bäume lernen, mit dem Klimawandel umzugehen – und warum der Wald uns retten wird, wenn wir es zulassen. Bäume kommen sehr gut ohne Menschen aus, aber Menschen nicht ohne Bäume! Auch wenn wir unsere Welt durch den Klimawandel zugrunde richten sollten – die Bäume kommen immer und überall zurück, selbst nach verheerenden Bränden, heftigen Sturmschäden und menschlichen Verwüstungen. Es wäre nur schön, wenn wir dann noch da sind.

Erschienen im Ludwig Verlag, ISBN: 978-3-453-28094-6

Peter Wohlleben ist Förster und Autor. Die Wälder sind sein berufliches Zuhause und die Arbeit mit Bäumen bezeichnet er selbst als sein Leben. Inzwischen dürfte er der bekannteste Waldhüter Deutschlands sein. Hier findest du seine Waldansichten, Angebote und sogar einen Kinofilm.

 

Dr. med. Sheila de Liz „Woman on fire“

Hitzewallungen, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen – kaum eine Frau sieht den Wechseljahren gelassen entgegen. Dabei ist unser Bild von der Perimenopause hoffnungslos veraltet und benötigt dringend ein Makeover. Viele Frauen leiden heute unnötig, und keine „muss da durch“. Sind die Beschwerden erst mal identifiziert, können wir viel für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden tun – und uns auch in der zweiten Lebenshälfte noch stark und sexy zu fühlen. Ein ermutigender Ratgeber, der zeigt: Es gibt sogar Gründe, sich auf diese Zeit zu freuen!

Erschienen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ISBN: 978-3-499-00317-2

Dr. Sheila de Liz ist mit 15 Jahren aus den USA nach Deutschland gekommen, hat in Mainz Medizin studiert und arbeitet seit 2006 in ihrer eigenen Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe in Wiesbaden. Schon 2019 erschien ihr erstes Buch „Unverschämt“. Hier geht es bereits um den fabelhaften weiblichen Körper.

 

Nathalie Stüben „Ohne Alkohol: Die beste Entscheidung meines Lebens“

Deutschland ist eine Alkohol-Nation: Rund ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland trinkt regelmäßig bis zum Rausch, ca. 1,6 Millionen sind abhängig. Ein breites gesellschaftliches Problem – und doch fühlen sich Betroffene oft orientierungslos und alleingelassen. Habe ich überhaupt ein Alkoholproblem, wenn ich nicht täglich trinke? Wieso muss ich mich als Alkoholiker bezeichnen, wenn ich aufgehört habe? Kann ich auch ohne Reha und Anonyme Alkoholiker den Absprung finden? Und ist ein Leben ohne Alkohol nicht langweilig und freudlos?

Erschienen im Kailash Verlag, ISBN: 978-3-499-00317-2

Nathalie Stüben ist Journalisten, war alkoholabhängig und unterstützt heute Menschen, die ihre Alkoholsucht überwinden wollen. Spannende Informationen, ihren Podcast und Blogbeiträge von ihr zum Thema Alkoholismus findest du hier auf ihrer Website.

wegschnubbeln – So viel Zeit muss sein – Letterladys #6 – Über Menschen
So viel Zeit muss sein – Letterladys #9 – Buchtipp Das Geheime Leben der Bäume von Peter Wohlleben
So viel Zeit muss sein – Letterladys #9 – Buchtipp Woman on Fire von Dr. Sheila de Liz
So viel Zeit muss sein – Letterladys #9 – Buchtipp Ohne Alkohol von Nathalie Stüben

Beim nächsten Mal

werden wir alle zu diesen drei Bücher ein kurzes Feedback geben. Vielleicht entsteht ja auch eine tiefer gehende Diskussion. Spätestens beim Thema Alkohol könnte das durchaus passieren.

 

Letterladys #7 Raumforderung

Letterladys #7 Raumforderung

Raumforderung

Letterladys #7

„Raumforderung“ ist der Inhalt des neuesten Buches von Juli Zeh. Ja, nein, es heißt: „Über Menschen“. Aber es handelt von Raumforderungen: im Kopf, in der Landschaft, in der Bevölkerung dieser, unserer Bundesrepublik.

 

Politiker dieses Landes,
lesen Sie dieses Buch!

 

Das mag ein bisschen despektierlich klingen, ist aber in unserem Gespräch sehr wichtig geworden: Jede und jeder Politikerin und Politiker dieses Landes sollte dieses Buch zur Pflichtlektüre bekommen. Vor der nächsten Bundestagswahl! Egal, ob Parteispitzen, Abgeordnete, Minister oder Ministerialmitarbeiter. Alle. Einfach alle!

 

So viel Zeit muss sein – Trennlinie

 

Über Menschen

Juli Zeh, Luchterhand Verlag, 2020

Eine Frau aus Berlin Kreuzberg zieht aufs Land.

Der Roman erzählt von unserer unmittelbaren Gegenwart, von unseren Befangenheiten, Schwächen und Ängsten, und er erzählt von unseren Stärken, die zum Vorschein kommen, wenn wir uns trauen, Menschen zu sein.

 

Ein modernes Märchen

Das Ende hätte ich mir persönlich gerne gut gewünscht: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ Leider ist das heute nicht mehr so. Vielleicht war es ja auch früher nicht so …

Dieses Buch erzählt von den relevanten Themen unserer Zeit, von der Pandemie, dem Leben in der Großstadt, dem Leben auf dem Land, dem vielen Gezwitscher zwischen Himmel und Äther und den fehlenden Worten, dem Lärm und der Stille der Vögel, Wälder, Straßen, Rochen und Menschen in Berlin und Brandenburg. Es ist weder belehrend, noch erziehend. Vielleicht am ehesten beobachtend erzählt.

Denn es spielt irgendwie sehr viel im Kopf, handelt also von Gedanken, die kommen, kreisen, verloren gehen, unglaubwürdig sind und manchmal auch verrückt. Und unter Umständen dann auch zu Handlungen führen.

Es handelt über Menschen: von R2D2, Omis, Schwulen, Alleinerziehenden, Verlorengegangenen, Kindern und Nazis, von Tumoren und unbeackertem Gartenland. Manchmal spielt auch ein kleiner Hund eine Rolle.

Und es hat Sprachwitz. Gespickt mit Teekesselchen, Augenzwinkern hinter den Gedanken und Sehen mit Wörtern.

Ein bemerkenswertes Buch, sehr menschlich, klar gedacht, nicht belehrend oder besserwisserisch und eine hinreißende und wie ich finde, ausgesprochen traurige Geschichte. Es war einmal …

wegschnubbeln – So viel Zeit muss sein – Letterladys #6 – Über Menschen
SvZms – Die Dreigroschenoper
SvZms – Mord im Orientexpress
SvZms – Rausch und Fabian

Was sonst noch geschah:

Es gibt zwei Theaterempfehlungen für Berlin.

„Die Dreigroschenoper“ am Berliner Ensemble. Inszeniert von Berry Kosky. Überhaupt erst die 5. Variante dieser Oper seit ihrer Uraufführung 1929 am Berliner Ensemble.

„Mord im Orientexpress“ in der Komödie am Kurfürstendamm.

 

Beim nächsten Mal sprechen wir über zwei Filme:

„Der Rausch“ und „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“

 

Letterladys #6 wegschnubbeln

Letterladys #6 wegschnubbeln

wegschnubbeln

Letterladys #6

Im Juli trafen sich die Letterladys zum 1. Mal in echt und leibhaftig und verbrachten dabei einen zauberhaften Abend mit Blick auf die Rummelsburger Bucht und die Liebesinsel.

Sich in einem Buch zu verlieren
ist wie verreisen.

Im Gespräch öffneten wir unsere derzeitige Leseliste, geprägt von Sommer, Urlaub und wieder erwachter Ausflugslust, gleichgültig ob über Landesgrenzen hinweg oder in die Kunst und Kultur.

Hier die Leseempfehlungen aus dem Gespräch:

So viel Zeit muss sein – Trennlinie

Die Ermordung des Commendatore

Haruki Murakami, DuMont Buchverlag, 2018, 2 Bände

Clubhouse kann verführen. Und zwar nicht nur zum Hören und miteinander ins Gespräch kommen, sondern auch zum Lesen empfohlener Lektüre. So geschehen in diesem Fall.

Ein japanischer Künstler zieht sich nach der Trennung seiner Frau von ihm in das leer stehende Haus des berühmten Malers Tomohiko Amada zurück. Auf dem Dachboden findet er ein Gemälde mit dem Titel „Die Ermordung des Commendatore“.

Die Erzählung ist voller Anspielungen, Symbole und Metaphern. Er dreht sich um die Kunst und die Frage nach der Wechselwirkung von Original und Abbild, Realität und Darstellung. Ein bisschen kryptisch, wie eine Reise mit Rätseln.

 

Über Menschen

Juli Zeh, Luchterhand Verlag, 2020

Eine Frau aus Berlin Kreuzberg zieht aufs Land.

Der Roman erzählt von unserer unmittelbaren Gegenwart, von unseren Befangenheiten, Schwächen und Ängsten, und er erzählt von unseren Stärken, die zum Vorschein kommen, wenn wir uns trauen, Menschen zu sein.

Ein Bemerkenswertes Buch, sehr menschlich, klar gedacht, nicht belehrend oder besserwisserisch und eine hinreißende (vielleicht auch traurige) Geschichte.

 

Im Gespräch über den Roman von Juli Zeh sprachen wir nebenbei über eine Vorgängergeschichte, die hier auch erwähnt werden soll:

 

Was wir nicht haben,
brauchen Sie nicht

Geschichten aus der arschlochfreien Zone, Dieter Moor, rowohlt, 2010

Im Dörfchen Amerika möchten Dieter Moor und seine Frau Sonja ihren Traum vom eigenen Bauernhof verwirklichen. Tatsächlich sind die neue Heimat, die neuen Nachbarn und das neue Leben für allerlei ungeahnte Herausforderungen, komische Missgeschicke und skurrile Situationen gut.

Eine charmante und witzige Liebeserklärung an eine verkannte Region.

 

Der Freund

Sigrid Nunez, Aufbau Verlag, 2020

Eine Frau, die um ihren Freund trauert, ein riesiger Hund – und die berührende Geschichte ihres gemeinsamen Wegs zurück ins Leben.

Es beschreibt auch das aktuelle Leben in New York und nimmt ganz nebenbei den Literaturbetrieb aufs Korn. Eine große Sammlung von Zitaten und gleichzeitig Reflexion über Mensch und Tier, Moral und ihre Fragwürdigkeit.

Es gibt dazu gerade eine Buchbesprechung in der ZDF-Mediathek.

Die Farben des Feuers

Pierre Lemaitre, Verlag Klett-Cotta, 2018

Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs regieren Habgier und Neid in den Straßen von Paris, und so bahnt sich ein Komplott an, um das mächtige Bankimperium Péricourt zu Fall zu bringen. Doch Alleinerbin Madeleine weiß, die Verhältnisse in Europa für sich zu nutzen, und dreht den Spieß kurzerhand um.

In diesem Buch geht es um eine bewundernswerte Frau, menschliche Abgründe, vergnügte Fantasie und historische Genauigkeit.

Ein Schmöker – vielschichtig und spannend.

Denken ist heute überhaupt nicht mehr Mode.

Tagebücher 1940–1945 von Anna Haag, herausgegeben von Jennifer Holleis, Reclam, 2016

Im Mai 1940 beginnt Anna Haag, 52 Jahre alt und Journalistin, ein schonungslos offenes und regimekritisches Tagebuch zu führen, das sie über Jahre im Kohlenkeller versteckt. Sie hört ihren Mitmenschen genau zu – in der Straßenbahn, bei Behördengängen oder in Geschäften. In pointierten Skizzen hält sie fest, was ganz gewöhnliche Deutsche schon während des Zweiten Weltkriegs über die Judenvernichtung und die Verbrechen des NS-Regimes wussten. Sie erzählt mit Ironie und Klarheit von Hamsterfahrten im Stuttgarter Umland, von verbotenen Treffen zum BBC-Hören oder von Wortgefechten mit ihrem Lieblingsgegner, dem regimetreuen Apotheker.

Es ist erschreckend, dass es 70 Jahre brauchte, ehe diese Aufzeichnungen gespickt mit originalen Zeitungsausschnitten erschienen sind. Denn hier wird klar, dass es zu Kriegszeiten keine Möglichkeit gab, die Verbrechen der Zeit hinter Unwissenheit zu verstecken.

Anna Haag versprach sich selbst zum Kriegsende, für Aufklärung und demokratischen Neuaufbau zu sorgen. Das tat sie. Unter anderem, indem sie verantwortlich dafür zeichnet, dass im Grundgesetz der Bundesrepublik das Recht auf Kriegsdienstverweigerung fest verankert wurde.

Obwohl die Aufzeichnungen inzwischen über 75 Jahre her sind, liest sich das Buch flüssig und bewegend. Ich bin beeindruckt von der Klarheit der beschriebenen (Alltags-)Beobachtungen und dem Mut zu sich selbst zu stehen. Dieses Buch ist ein Mutmacher, auch und gerade in der heutigen Zeit.

So viel Zeit muss sein – Letterladys #6 – Die Ermordung des Commendatore
wegschnubbeln – So viel Zeit muss sein – Letterladys #6 – Über Menschen
So viel Zeit muss sein – Letterladys #6 – Der Freund
So viel Zeit muss sein – Letterladys #6 – Die Farben des Feuers
So viel Zeit muss sein – Letterladys #6 – Denken ist heute überhaupt nicht mehr Mode

Wer sich auf dieses Thema einlässt, kommt an folgender Dokumentation nicht vorbei:

 

Hitlers Hofstaat: Gipfel der Macht

zdf-info, Mediathek, verfügbar bis 30. September 2023, in Deutschland

Hitlers innerer Kreis war sein privater Rückzugsraum. Wer dazugehören wollte, musste sich als bedingungslos loyal erweisen. Wer die Gunst des Diktators verlor, wurde aus dem Weg geräumt.

Es gibt auch weitere Dokumentationen zu Hitler. Z.B. „Der Aufstieg“ über seine Fähigkeit ganz persönliche Beziehungen zu knüpfen.

 

Außerdem angesprochen:

Hans Fallada „Wir hatten mal ein Kind“ – eine Erinnerung an vergessene Wörter

Stefan Sagmeister „Beauty“ – über die Wirksamkeit von Schönheit

Gesellschaftssatire „Parasite“ – vor kurzem im Sommerkino der ARD

Andreas Koop „NSCI“ – über die Corporate Identity der Nationalsozialisten