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Goethe und Schiller

Buch #5

Es klopft das Herz, geschwind zu Pferde,
es war getan, fast eh gedacht …

Ganz so ist es nicht. Die Unterkunft für unseren Pfingstausflug nach Weimar ist lange gebucht, es geht auch mit dem Corolla dahin, obwohl man sich den Namen auch als den eines Pferdes vorstellen könnte. Die Nacht wird auch keine tausend Ungeheuer gebären, weil wir wahrscheinlich am hellerlichten Tag fahren werden, und es geht auch nicht ZUR Geliebten nach Weimar, sondern MIT der Geliebten … Frau nach Weimar. Und sie kommt auch wieder mit zurück. 

Und doch, welch Glück, geliebt zu werden, und lieben, Götter, welch ein Glück.

Weimar. Das hat sie sich als Pfingstausflug zu ihrem Geburtstag gewünscht. 

Und weil ich gerade auf dem Trip bin, jede nächste Lektüre auszulosen, habe ich Lose mit allen im Hause verfügbaren Werken von Goethe und Schiller gemacht. Jeder durfte dreimal ziehen und musste sich dann davon ein Werk aussuchen, das er bis zum Pfingstausflug liest. 

Denn immer noch ist es ein Genuss, auch wenn manches schwer verständlich scheint. 

Ich habe aus meinen drei Losen „Die Räuber“ von Friedrich Schiller ausgesucht. 

Meine Liebste hat von Goethe „Gedichte“, „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ und „Die natürliche Tochter“ gezogen, sich aber noch nicht entschieden, welches davon sie liest. 

Sie neige dazu, sich zu drücken, sagte sie. 

Vor vielen Jahren habe ich einmal von Schiller den „Wilhelm Tell“ gelesen.

Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt. Vertrau auf Gott und rette den Bedrängten.

Das hat mich so beeindruckt, dass ich eine moderne Coverversion als Kurzgeschichte geschrieben habe, eine depressive Ausgabe des modernen deutschen Mannes. Nachzulesen hier. 

Goethe und Schiller sind, wenn man sie liest, wie die Erfinder von zwei Dritteln aller deutschen Sprichwörter. 

Nach Weimar zu fahren ist ein guter Anlass, mal wieder etwas von den großen deutschen Dichtern zu lesen und sich zu fragen, ob es wohl heute jemanden gibt, der so groß schreibt und denkt. 

Heinrich Heine, einer der anderen großen deutschen Dichter, für den es heute seinesgleichen nicht gibt, hat geschrieben:

„Ihr Franzosen könnt Euch keinen Begriff davon machen, wenn Ihr die Sprache nicht kennt. Diese Goethischen Lieder haben einen neckischen Zauber, der unbeschreibbar. Die harmonischen Verse umschlingen dein Herz wie eine zärtliche Geliebte; das Wort umarmt dich, während der Gedanke dich küsst.“* 

Und Schiller? Er scheint rebellischer in seinen Texten. Wie eine Metapher für unsere heutige Zeit wirken die Worte, die er Karl von Moor in den Mund legt: „Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus. Sie verpalisadieren sich ins Bauchfell eines Tyrannen, hofieren die Laune seines Magens und lassen sich klemmen von seinen Winden.“ 

Weimar, bestimmt schön, aber wahrscheinlich auch zur Puppenstube verkommen, weil Puppenstubenhaftigkeit das ist, was wir heute unter blühenden Landschaften verstehen. Nun denn, auf nach Weimar. Gemütlich im Nationaltheater zu einem Wein und einem Schnittchen Shakespeares „Der Sturm“ anschauen. Mal shoppen gehen und den Odem der Klassiker einatmen, die letzten homöopathischen Geistteilchen ihrer Aura. 

Dahin, dahin. Die großen Würfe, denn was wird aus diesem Text werden? 

Eine Insta-Story.
Wein(e)-Smiley. 

🍷🤭

* Heinrich Heine „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“

So viel Zeit muss sein – Buch – Auswahl von Goethe
So viel Zeit muss sein – Buch – Schiller "Die Räuber"